Olympia-Held Yiech Pur Biel spricht in Gastbeitrag über seinen Aufstieg - IOC-Flüchtlingsteam wird Anerkennung zuteil

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Update 29/10/2022 um 14:26 GMT+2 Uhr

Am Freitag wurde die Olympic Refuge Foundation (ORF) und das IOC-Flüchtlingsteam bei einer Zeremonie in Oviedo mit dem Prinzessin-von-Asturien-Preis für Sport 2022 geehrt. Yiech Pur Biel - Mitglied des ersten IOC-Flüchtlingsteams bei den Olympischen Spielen Rio 2016 und seit 2022 der erste Flüchtling, der zum IOC-Mitglied gewählt wurde, reflektiert bei Eurosport diese historische Anerkennung.

Yiech Pur Biel blickt auf die letzten Jahre zurück

Fotocredit: Getty Images

Von Yiech Pur Biel
Es gibt bislang nur zwei Momente in meinem Leben, in denen ich geweint habe.
Der eine, als mich meine Mutter verließ und der andere, als ich die Nachricht erhielt, ins allererste IOC-Flüchtlingsteam aufgenommen worden zu sein.
Als ich mit meinen Teamkollegen zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele Rio 2016 ins Olympiastadion kam, war das ein einschneidender Moment für mich. Ein Moment, den ich nie vergessen werde.
Ich habe noch immer die uns zujubelnde Menschenmenge im Ohr. Damals dachte ich an all die anderen Flüchtlinge in Kenia und an meine Familie. Ich dachte kurz darüber nach, was ich alles durchgemacht hatte, um hierher zu kommen, und über die Botschaft, die wir in diesem Augenblick an die Menschen in aller Welt sandten.

Rio 2016: Der Beginn einer neuen Reise

In Rio 2016 waren wir Botschafter der Hoffnung und zeigten, dass alles möglich ist. Wenn das IOC-Flüchtlingsteam und die Olympic Refuge Foundation am heutigen Tag den Prinzessin-von-Asturien-Preis für Sport erhalten, ist das nun der Beweis dafür, dass diese Botschaft angekommen ist.
Als ich von meiner Mutter getrennt wurde, war ich nicht sicher, ob ich sie jemals wiedersehen würde. Ich wusste nicht, ob sie noch lebte.
In Rio hat mich das IOC mit meiner Familie zusammengeführt. Als Olympiateilnehmer sprach ich zum ersten Mal wieder mit meiner leiblichen Mutter, die ich letztmals gesehen hatte, als ich zehn Jahre alt war. Das ist die Kraft des Sports. Das ist der Wert der Olympischen Bewegung.
In Rio haben wir der Welt gezeigt, dass wir als Flüchtlinge alles erreichen können. Ein Flüchtling zu sein, ist nicht das Ende. Für mich war es, mit dem IOC an meiner Seite, der Beginn einer neuen Reise.
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In Rio de Janeiro macht Yiech Pur Biel den Beginn einer neuen Reise fest

Fotocredit: Getty Images

Großartige Unterstützung des IOC

Nach meiner Rückkehr aus Rio 2016, wo ich über die 800 Meter gestartet war, half mir das IOC, mich als Student am Iowa Central Community College in den USA einzuschreiben.
Danach wurde ich zum Goodwill-Botschafter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ernannt und vom IOC als Teamleiter der IOC-Flüchtlingsmannschaft für Tokio 2020 berufen. Ich konnte mehr Menschen als jemals zuvor zeigen, dass es keine Schande ist, ein Flüchtling zu sein, dass alles möglich ist.
Durch meine Wahl zum IOC-Mitglied und zum Vorstandsmitglied der Olympic Refuge Foundation gibt mir das IOC die Möglichkeit, auf die Konflikte in der Welt aufmerksam zu machen. Es bietet mir eine unverzichtbare Plattform, um für und mit meinen Mit-Flüchtlingen zu sprechen

Flucht vor den Regierungstruppen

Im Jahr 2005, als ich gerade 10 Jahre alt war, kamen Regierungstruppen in mein Dorf, mitten im Konflikt im Südsudan. Das war ein einschneidendes Erlebnis, aber ich gehörte zu den Glücklichen.
Ich konnte mit meiner Mutter und meinem Bruder fliehen. Wir verbrachten drei Tage im Busch und aßen nur Obst, bevor wir von den Vereinten Nationen gerettet wurden und in Kenia Zuflucht fanden. Dort begann ich mit dem Laufen und spürte zum ersten Mal die Kraft des Sports, Menschen zu vereinen.
Mit Unterstützung der Olympic Refuge Foundation - die vom IOC gegründet wurde - kehrte ich vor Kurzem in das Flüchtlingslager in Kakuma zurück.
Es gibt kein besseres Mittel als den Sport, um Menschen zu vereinen.
Ich habe meine Familie besucht und mich dafür eingesetzt, dass sich Flüchtlinge durch Sport dazugehörig fühlen und ihre Zukunft selbst gestalten können. Dank der Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2024 einer Million junger und von Vertreibung betroffener Menschen den Zugang zu Sport in einem sicheren Umfeld zu ermöglichen, kann ich nun denjenigen etwas zurückgeben, die mich auf meiner Reise inspiriert haben.
Im Namen aller Flüchtlinge auf der ganzen Welt danke ich der Prinzessin-von-Asturien-Stiftung für diese historische Anerkennung. Es gibt kein besseres Mittel als den Sport, um Menschen zu vereinen. Im Lager von Kakuma habe ich gesehen, wie Freundschaften zwischen 19 verschiedenen Nationalitäten entstanden sind.
Und das alles durch die Kraft des Sports. Im friedlichen Wettstreit traten wir dann in Rio 2016 und Tokio 2020 gegeneinander an. Man weiß nie, was die Zukunft bringt. Aber jeder könnte ein Flüchtling sein, und jeder kann auch träumen und seine Träume verwirklichen.
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